Spider-Man – Reign: Band 2

Cover zu „Spider-Man – Reign: Band 2“
(Bild: Panini Verlag)

Als Kaare Andrews 2006 „Spider-Man: Reign“ veröffentlichte, hatte er damit einen echten Nerv getroffen – düster, radikal, melancholisch. Jetzt, fast zwei Jahrzehnte später, schickt er uns zurück in seine dystopische Vision von New York. Die große Frage: Kann Spider-Man: Reign II an den rauen Charme und die emotionale Wucht des ersten Teils anknüpfen? Die kurze Antwort: Nicht ganz. Aber es gibt trotzdem vieles, was an diesem Spidey-Comeback funktioniert. Wenn man bereit ist, sich erneut auf ein kompromisslos anderes Spider-Man-Universum einzulassen.

Zwischen Hommage und Neuinterpretation

Die Handlung knüpft einige Jahre nach Teil 1 an. Peter lebt in einer virtuellen Welt, in der er endlich Frieden mit Mary Jane gefunden hat – zumindest in seinem Kopf. Die Realität draußen ist allerdings alles andere als friedlich: Wilson Fisk, Kingpin höchstpersönlich, kehrt zurück und reißt brutal die Macht an sich. Die Stadt verkommt endgültig zu einem Überwachungsstaat mit Hunger auf Blut und Gewalt. Peter wird von Kitty-Kat, der Tochter von Black Cat, aus seiner Scheinwelt geholt und direkt in ein neues Grauen geworfen: eine Art gladiatorische Farce, in der Superhelden zum Entertainment der Massen verkommen.

Natürlich drängen sich Vergleiche zu Frank Millers „The Dark Knight Returns“ erneut auf – auch Kitty-Kat erinnert nicht zufällig an Carrie Kelly, Batmans Robin in Millers Meisterwerk. Doch Andrews bleibt sich treu. Seine Vision von Spider-Man ist weniger Kommentar auf Superhelden-Comics als vielmehr ein melancholisches Drama über Schuld, Alter und Wiederauferstehung. Klar, einige Elemente wirken drüber – etwa Kingpins Kannibalismus oder die fast überzeichnete Gewalt – aber sie sind Teil einer Welt, die längst den Bezug zur Vernunft verloren hat. In dieser Welt kann ein gebrochener Peter Parker wieder zu sich selbst finden. Und das ist erzählerisch durchaus stark.

Optisch bleibt Spider-Man: Reign II im vertrauten Stil: rau, verzerrt, oft bewusst unangenehm. Aber Andrews erlaubt sich diesmal mehr Experimente – von Mixed-Media-Panels bis zu überzeichneten Gesichtern, die wie ein Fiebertraum wirken. Nicht alles trifft meinen Geschmack, aber es hat Charakter. Und Mut. Und das ist in der glattgebügelten Comic-Welt heutzutage nicht selbstverständlich.

Fazit

Spider-Man: Reign II ist nicht die Offenbarung, die Teil 1 seinerzeit war – aber es ist ein starker, mutiger Nachfolger, anders als die gruseligen Nachfolger von Millers „Dark Knight“- Wer bereit ist, in diese kaputte Zukunftsvision einzutauchen, bekommt keine makellose, aber eine intensive Geschichte serviert. Zwischen Wahnsinn und Melancholie, zwischen Übertreibung und echter Emotion bleibt ein Eindruck: Peter Parker ist noch nicht fertig. Und das ist gut so.

Ich danke dem Panini Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

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